Charles L. Sues (1928-2024) – der letzte jüdische Eppelsheimer verstorben

29.02.2024

Am 14. Januar 2024 starb Charles L. Sues in Naples im US-Staat Florida. Er war das letzte lebende Mitglied der Eppelsheimer jüdischen Gemeinde, die rund 250 Jahre, bis zu ihrer Auslöschung in der NS- Zeit, existierte.

Charles L. Sues wurde als Karl Ludwig Süß am 17. August 1928 als einziges Kind der Eheleute Otto Süß und Bertha geb. Weil in der Kirchgasse geboren, wo diese einen Kaufladen betrieben. Die kleine jüdische Gemeinde des Dorfes bestand damals aus vier Familien. Im August 1931 nahm der dreijährige Karl erstmals an einer Sabbatfeier in der Synagoge in der Blaugasse teil, wie einem zeitgenössischen Zeitungsbericht zu entnehmen ist. Seine Eltern waren, ebenso wie ihre sonstigen Glaubensgenossen, gut in die Dorfgemeinschaft integriert. Otto Süß nahm als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil, bekleidete von 1922 bis 1933 das Amt des Vorsitzenden des Turnvereins und war aktiver Sänger im Männergesangverein.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann auch in Eppelsheim die systematische Ausgrenzung und Entrechtung der Juden. Aufgrund der zunehmenden Repressionen sah sich die Familie genötigt, ihr Geschäft zu verkaufen und Deutschland zu verlassen. Otto Süß wanderte bereits Ende 1937 nach New York aus, seine Frau Bertha und der mittlerweile 10jährige Karl folgten ihm ein knappes Jahr später, nachdem sie zuvor kurz in Berthas Heimatgemeinde Albersweiler in der Nähe von Landau gelebt hatten. Karls Großmutter Anna Süß wanderte nicht aus. Sie lebte bis 1939 in Eppelsheim und zog anschließend nach Frankfurt. Vergeblich versuchten ihre Angehörigen, sie ebenfalls nach Amerika zu holen. 1942 wurde die 71 Jahre alte Frau nach Theresienstadt, später in das Vernichtungslager Treblinka deportiert, wo sie ermordet wurde. Zu ihrem Gedenken wird am 18. Juni dieses Jahres ein Stolperstein in Frankfurt verlegt.
Die Familie Sues (so die amerikanische Schreibweise) lebte in Washington Heights, einem Viertel von Manhattan, in dem viele deutsche Juden Zuflucht gefunden hatten. Vater Otto arbeitete dort zunächst als Portier in einem Krankenhaus. Nach seinem Schulabschluss meldete sich der mittlerweile eingebürgerte Sohn Charles zur Armee und wurde im Pazifik sowie in Korea eingesetzt. Nach seinem Militärdienst besuchte er die New York University, wo er Bauingenieurwesen studierte. 1952 heiratete er Lora Heller, die ebenfalls aus Deutschland geflohen war. Dem Ehepaar wurden drei Kinder geboren. Charlie, wie er von Familie und Freunden gerufen wurde, gründete ein Bauunternehmen, das aufgrund seines ausgeprägten Unternehmergeistes rasch expandierte.
Erst als Mittsiebziger zog sich Charles Sues in den frühen 1990er Jahren aus dem Berufsleben zurück. Seine Frau und er siedelten nach Naples/Florida über. In den nächsten beiden Jahrzehnten statteten sie Eppelsheim mehrere Besuche ab, wo sie von Charles‘ ehemaligen Alterskameraden und Nachbarn herzlich empfangen wurden.
Am 14. Januar 2024 starb Charles Louis Sues im Alter von 95 Jahren. Bis ins hohe Alter war er vital und rüstig. Noch eine Woche vor seinem Tod hatte er zum letzten Mal Tennis gespielt.

Neben seiner Witwe hinterließ der gebürtige Eppelsheimer drei Kinder, neun Enkel und sechsundzwanzig Urenkel.

Ein Nachruf der Familie findet sich im Internet unter
https://www.dignitymemorial.com/obituaries/naples-fl/charles-sues-11624942.